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Die Rolle der Mitläufer

Stell Dir vor Lisa sagt zu Emma: „Oh, schöne Haarfrisur.“ Emma lächelt und will antworten, da sagt Lisa:“ Hast Du die selbst verbockt oder hat ein Vogel sie dir auf den Kopf geschissen.“- Alle ringsherum lachen. Lisas beste Freundin schreit prustend: „Das müsste dann ein Adlerhaufen gewesen sein….“ und wieder lachen alle ringsherum. Manche, weil sies lustig finden, andere, weil die andern lachen und sie nicht selber dumm dasteht wollen, wieder andere finden es echt gemein und tun nur so als ob sie lachen. Und Lisa? Sie fühlt sich wie eine Superheldin.

Stell Dir vor Lisa sagt zu Emma: „Oh, schöne Haarfrisur.“ Emma lächelt und will antworten, da sagt Lisa:“ Hast Du die selbst verbockt oder hat ein Vogel sie dir auf den Kopf geschissen.“ Augenblicklich ist alles ruhig. Einige murmeln was von „gemein“, „echt fies“ und gehen kopfschüttelnd weg. Lisas Freundin fasst sie an der Schulter und zieht sie weg, sagt nur: „das war aber nicht ok!“

An diesem Beispiel ist leicht zu erkennen warum Horst Kasper die Mitläufer- und eigentlich auch die Zu- und Wegschauer die „Möglichmacher“ nennt. Ohne die anderen- auch die scheinbar Unbeteiligten- funktioniert das Mobbing nicht. Erst sie machen es möglich. Diese  „Anderen“ sind diejenigen, die Mobbing zulassen. Diejenigen, die das Machtbedürfnis der Täterin stillen, diejenigen, die die sozialen Vorteile und Belohnungen für mieses Verhalten geben.


Mitläufer sind in der Regel unmittelbar mit dem Täter/der Täterin befreundet und fühlen sich ihm/ihr gegenüber verpflichtet ihn/sie zu unterstützen, völlig egal, was sie selbst davon halten. So machen Mitläufer oft intensiv mit, obwohl sie wissen, wie falsch es ist und sich dabei auch mies fühlen. Der Druck in der Gruppe ist so gross, dass sie keinen anderen Ausweg wissen, dass sie damit rechnen müssen, dass die Freundschaft gekündigt wird und sie somit selber Opfer werden würden. Da ihnen bewusst ist, wie schlimm das ist, tun sie alles, um nicht in diese Lage zu geraten. Selbst wenn sie dafür quasi „ihre Seele verkaufen.“
Im weiteren Verlauf der Mobbing Dynamik machen in der Regel immer mehr Personen mit, so dass das Verantwortungsgefühl jedes Einzelnen immer kleiner wird. So kommt es nicht selten vor, dass Mitläufer und Haupttäter sich abwechseln.

Ein Mädchen erzählt:
Hej!
Meine beste Freundin mobbt ein Mädchen in meiner Klasse. Immer wieder sehe ich, wie das Mädchen allein rumsteht. Ich würde gerne zu ihr hingehen und mit ihr reden, aber meine beste Freundin will das nicht. Es ist jetzt so, dass ich auch angefangen habe, das Mädchen zu mobben. Ich will das eigentlich gar nicht, aber meine beste Freundin wäre sonst sauer auf mich. Wegen dem Mobben hab ich schon ein richtig schlechtes Gewissen deswegen.

Die Mitläufer, sowie die „Duldenden, Zu- und Wegschauer“ sind der Dreh- und Angelpunkt des Geschehens. Wenn eine Gruppe das Verhalten des Täters toleriert und nicht ausbremst, läufts. Sobald die Täter jedoch bemerken, dass die Gruppe auf ihr Verhalten nicht positiv reagiert, hört es meist sehr schnell auf.
Die Problematik besteht vor allem darin, dass Kinder und Jugendliche oft entwicklungsbedingt, enorm abhängig sind von der Gruppe.
Dazugehören erscheint den Kids lebenswichtig. So wichtig, dass sie bestimmte Kleider tragen und andere ablehnen, so wichtig, dass sie ihre Vorlieben und Abneigungen anpassen, ihre Hobbys nach der Gruppe richten, so wichtig, dass sie eigene Talente und Leidenschaften verleugnen. Was ist da schon ein „bisschen Geplage“ dagegen.
Helfen können da- so simpel es klingt, so schwierig ist es-
das Vermitteln und Vorleben von Grundwerten, wie:
Anstand, Höflichkeit, Mitgefühl, Fairness, Toleranz (Umgang mit Andersartigkeit, Freude an der Vielfalt und Verschiedenheit der Menschen) und das Üben des Blicks für Gemeinsamkeiten zwischen Menschen, die allermeistens bei weitem die Unterschiede überwiegen.

Tipps aus der Lösungswerkstatt:
Stärken stärken! in jeder Form. Lass Dein Kind eine Liste mit zB 30 oder 50 Sachen aufschreiben, die es gut kann, die es einzigartig machen, die es vielleicht von anderen unterscheidet. Teile es ein zB. täglich 2 Sachen, dann steht die Liste innerhalb eines Monats. Hilf ihm, wenn ihm nichts mehr einfällt. Wer sich gross, stark, talentiert und sicher fühlt wird eher bereit sein, nicht mitzumachen, sich dem Gruppendruck zu entziehen.
Ein erster Schritt ist nicht mehr mitzumachen.
In einem weiteren Schritt gehts vielleicht darum einen Erwachsenen zu informieren über die Situationen.
Dann vielleicht andere Kids der Gruppe, die auch nicht so begeistert sind vom Mobben, anzusprechen. „Sag mal wie findest Du es eigentlich, wenn Lisa Emma fertigmacht?“- „ Emma ist doch selber schuld…“- „Vielleicht. Ich finds trotzdem nicht so gut.“- „naja heute war glaub ich nicht so lustig…“ So besteht die Möglichkeit die geschlossene „Mobberfront“ zu lockern.

Ganz Mutige könnten sagen: „Also ehrlich gesagt find ichs langsam öde, immer auf Emma rumzuhacken. Ich würd mich viel lieber darüber unterhalten, dass diesen Sommer wieder Hot Pants inn sind.“—- oder was sonst grad noch „inn“ ist.

Finde Videos/ Bücher angepasst ans Alter, die oben genannte Werte vermitteln. Ganz kleine Kinder hören zB. gern die Geschichten von Elmar dem karierten Elefant.

Hört Euch zusammen den Kindersong an
http://respekt-dersong.de/

Aus dem Kinderlexikon https://klexikon.zum.de/wiki/Respekt
https://www.helles-koepfchen.de/?suche=respekt hier können auch Begriffe wie zB. Toleranz eingegeben werden

Statt Anstand verwende ich lieber
Umgangsregeln: Bitte, Danke, Grüssen, Verabschieden, Fragen, wenn man etwas haben will und so weiter. Bitte erklärt Kindern immer wieder auch grösseren, warum diese Regeln wichtig sind:
Wenn ich „bitte“ sage, bedeutet das, dass Du gern vom anderen etwas hättest, dass er aber nicht zwingend tun muss. Der andere weiss so, dass Dir bewusst ist, dass er Dir was Nettes tut.

Danke bedeutet zB. dass Du froh bist um die Leistung, die der andere erbracht hat, dass Dir klar ist, dass es lieb gemeint ist und Du es zu schätzen weisst.
Grüssen zeigt, dass Du die andere Person wahrgenommen, gesehen hast- wer wird denn nicht gern „gesehen“?
All die Beispiele fürs Fragen, wenn man was will: Wenn Deine Schwester mit Deinem Lieblingsauto spielen möchte, soll sies einfach nehmen oder möchtest Du gefragt werden?
Bestimmt hast du selber gute Beispiele und Erklärungen für diese Umgangsregeln. Scheu Dich nicht auch mit Deinem 10, 12, 14 oder gar 16 jährigen Kind mal wieder drüber zu sprechen. Pass die Beispiele dem Alltag Deines Kindes an.

Grössere Kinder hören sich statt Märchen vielleicht lieber Geschichten aus Deinem Alltag an, wie Du Dich gefreut hast, dass Dich jemand gegrüsst hat, der das lange nicht tat. Oder wie viel Dir der Dank eines Mitarbeiters, Nachbarn etc. bedeutet usw.

Wie wär es zB. mit dem Song „Achtung und Respekt“ von Pur? Gesungenes wird oft noch besser im Gehirn gespeichert, wie zB. ein Ohrwurm-wiederholen sich die guten Sätze auch nach dem Musikhören noch weiter.

Nutze die Werte Deiner Religion- stelle vielleicht fest, dass Du obwohl kein aktives Kirchenmitglied, trotzdem die Grundwerte Deiner Religion lebst. Die Bibel ist voll von Geschichten, die Mitgefühl und Toleranz stärken. Bestimmt findet sich auch in jedem anderen Gebetbuch entsprechendes.

Solltest Du Dir sicher sein, dass Dein Kind ein Mitläufer ist, werden einige Gespräche nötig sein, die klar so ablaufen:
„Ich weiss, dass Du Emma mobbst. Du hast mitgemacht als ……“(hier ist ratsam genaue Angaben zu haben, vom Lehrer zB oder vom Opfer, oder noch besser selbst gesehen oder „Du hast zusammen mit Lisa Emma wegen ihrer Haarfrisur fertiggemacht. Was Du da tust ist Mobbing!“
„Das geht auf gar keinen Fall und muss sofort aufhören!“
Rechne hier mit Schuldzuweisungen und Ausflüchten, bleibe fest: Du duldest nicht, dass Dein Kind mobbt. Verlange eine deutliche Verbesserung seines Verhaltens. Versichere Deinem Kind, dass es toll ist, wie es ist und es nicht nötig hat andere klein zu machen. Versichere ihm auch, dass Du es genau beobachten wirst und mit Lehrer, Sozialdienst, Schulleitung und allenfalls den Eltern des Opfers (Achtung, kann problematisch sein, wenn Du nicht zu den selbstsicheren und versöhnlichen Menschen gehörst- dann vermeide hier den Kontakt und lass die Infos über die Schule fliessen!!!) in Kontakt bleibst.
Stelle in Aussicht, dass weiteres Mobben schwerwiegende Konsequenzen hat
Besonders starke Kids schaffen es, sich beim Opfer zu entschuldigen. Erzwinge dies nicht! Erzwungen wär nicht ernstgemeint und die Ängste Deines Kindes so selbst Opfer zu werden, werden vermutlich wahr.
Hol Dir wöchentlich Infos aus der Schule, wie es läuft, sprich mit Deinem Kind darüber und lobe jeden Fortschritt.


zusätzliche Quellen:
Bundeszentrale für politische Bildung, M 02.07 Die Rolle der Mitläufer und Zuschauer beim Mobbing
Mellvil, ein Kinderforum zum Klarkommen
Familienleben, Warum Kinder zu Mobbing-Tätern werden

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